Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken, die Plakate für die Weihnachtsmärkte mehren sich und die Regale der Kaufhäuser zeigen seit Monaten Lebkuchen, Spekulatius und Gebäckfeinheiten. Ist es da nicht Zeit, den Ofen anzuschmeißen und eine Ladung auf eigene Faust zu backen?
Was sagt ihr? Arbeit, Dreck, Mühe, wo es doch viel einfacher geht? Aber andererseits … Gibt es nicht auch Einiges, was fürs Selbstbacken spricht? Hier findet ihr fünf gute Gründe.

Winterzeit ist Plätzchenzeit: Ab in die Weihnachtsbäckerei (Foto: Lehr)
Zum Ersten: die Tradition. Letzten Freitag war es soweit, und ich wusste nichts davon. Meine Mutter hatte mich morgens abgeholt, damit wir meinen Sohn in den Kindergarten bringen sollten. Doch danach setzte sie mich nicht etwa wieder zu Hause ab, sondern fuhr zu meiner Großmutter. In manchen Situationen ist es besser, nicht so genau nachzufragen, also wartete ich erst mal ab. Meine Oma war schon kräftig am Backen und stach gerade eine Ladung Kokoskringel aus. „Sollen wir die jetzt zuerst backen oder Spritzgebäck machen“, fragte mich meine Mutter aus heiterem Himmel. Ich zuckte mit den Schultern und verkniff mit das „Macht doch, was ihr wollt“, als sie schon ausholte: „Na, wegen dir machen wir doch heute Spritzgebäck.“ Gut zu wissen. Also durfte meine Oma sich mal hinsetzten und ausruhen und meine Mutter weihte mich ein, wie man Spritzgebäck durch den Fleischwolf dreht und richtig portioniert und hübsch angerichtet ausbackt. Ein Gebäck, das seit ich denken kann von unserer Familie gegessen wird und obwohl ich wusste, dass der Fleischwolf da irgendwie seine Zähne mit drin hat, hatte ich es noch nie zuvor gemacht. Letztes Jahr hat meine Oma allen ihren Enkeln ein Weihnachtsbackbuch geschenkt mit ihren eigenen Rezepten. Familiengeheimnis sozusagen, und so was muss doch ausgenutzt werden. Also: Ran an den Herd.
Grund Nummer Zwei: die Zutaten. Mal ehrlich, ich will nicht wissen, was die lieben Backfirmen in die Kekse, die zu Weihnachten in die Regale kommen so alles reinmischen. Irgendwelche Geschmacksverstärker, Zusatzstoffe, Farbstoffe, Konservierungsmittel, und, und, und. Alles Dinge, die nicht so wirklich gut für unsere Körper sind. Wenn ich aber selbst Mehl, Zucker, Nüsse, Eier und Zitronenschale vermische, das Mehl und die Eier vielleicht sogar vom Bauer, die Nüsse aus dem Garten meiner Oma und die Zitrone vom Bäumchen meiner Mama wären, dann gäbe es gar keine Bedenken mehr. Und etwas reduzieren lässt sich das Unwissen über unser Essen auch dann, wenn ich die Zutaten nicht aus dem eigenen Anbau habe, aber selbst vermenge.
Grund Drei: der Spaß. Freud sei Dank. Er hat uns beigebracht, dass wir uns nicht schämen müssen, wenn wir mit Freude im Teig herumkneten, mit Matsch spielen oder die Knete zerquetschen, selbst wenn der innere Trieb wohl etwas ganz anderes zerkneten will, was so gar nicht appetitlich ist. Meine Mutter will immer jeden Teig mit ihrem Thermomix vorkneten, weil sie die Handarbeit nicht mag. Ich aber finde es wirklich toll, mal so richtig Kind sein zu dürfen, und einfach nur zu matschen. Vor allem, wenn dabei so was Leckeres rauskommt.

Selbstgemacht: Kein Gebäck ist leckerer (Foto: Lehr)
Vierter Grund: der Teig. Als mein Freund und ichgerade zusammengezogen waren, und ich das erste Mal für uns Weihnachtsgebäck machen wollte, tat er, was alle gerne tun. Er naschte Teig. Mal hier ein bisschen, mal da, mal von meinen Fingern, mal aus der Schüssel, mit Löffel, mit Teigschaber, mit allem, was dazugehört. Ich bin mir nicht mal mehr sicher, ob er mehr Teig vorher schon genascht hatte, als ich später als Kekse auf dem Blech liegen hatte. Die Strafe kam auf dem Fuß, die nächsten drei Tage wollte er kein Plätzchen anrühren, er hatte verdientes, kolossales Weihnachtsbauchweh. Die Masse macht‘s nun mal, aber so ein bisschen Teig naschen, da ein wenig, dort eine Ecke, wer kann dem schon widerstehen. Mein Verlobter hat sich schließlich erholt und wartet jedes Jahr drängelnd, bis ich sein Lieblingsgebäck, die Muscheln meiner Oma mache – die stehen in keinem Backbuch.
Und schließlich last, but not least: der Duft. Eigentlich gehört der Geschmack auch dazu, denn gekauftes Gebäck schmeckt immer gleich, selbst gemachtes schmeckt in Nuancen. Doch der Duft, der Duft von frischgebackenem Gebäck in der Wohnung, der ist einmalig. Er deckt alles zu, sofort wird die Welt weihnachtlich, werden die Lichter heller, die Sterne klarer. Und er macht satt. So schwer und süß, wie er ist, riech ich mich jedes Mal daran satt. Als würde es nicht schon reichen, dass ich in jedem Gebäck die Arbeit sehe, die darin steckt, die Zutaten, aus denen es geworden ist. Selbstgemachte Plätzchen werden die gedankenlos gegessen. Sie machen Freude, schon beim Zubereiten. Und Weihnachten fängt für mich erst an, wenn ich mein Gebäck gebacken habe.
Vorschau: Lea schreibt nächste Woche über Veränderungen und das Flügge werden.